Anlässlich des Tags der Menschenrechte hat das Bundesfrauenministerium am 10. Dezember eine aktualisierte Schätzung zur Situation weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) in Deutschland veröffentlicht. Demnach lebten Ende 2024 rund 123.000 Frauen und Mädchen in Deutschland, die bereits betroffen sind oder als bedroht gelten.
Die Analyse zeigt: Von den insgesamt 123.000 betroffenen Personen sind etwa 86.500 volljährige Frauen, die bereits eine Form der Genitalverstümmelung erfahren haben. Das sind 83 Prozent mehr als 2017, als zuletzt eine vergleichbare Schätzung vorlag. Zudem geht die Untersuchung davon aus, dass rund 11.100 minderjährige Mädchen potenziell betroffen sein könnten und weitere bis zu 25.000 Mädchen als gefährdet gelten.
Parlamentarische Staatssekretärin Mareike Wulf: "Das heute fast 123.000 Frauen und Mädchen in Deutschland von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen oder bedroht sind, ist erschütternd. Das ist eine schier unvorstellbare und besonders schwere Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Frauen und Mädchen leiden unter den physischen und psychischen Folgen ein Leben lang. Deshalb ist es richtig, dass weibliche Genitalverstümmelung in Deutschland strafbar ist, auch wenn sie im Ausland geschieht. Aber Gesetzgebung allein reicht leider nicht aus. Wir müssen alles dafür tun, Frauen und Mädchen in Deutschland wirksam davor zu schützen."
Methodik ermöglicht europaweit vergleichbare Zahlen
Die aktuelle Schätzung wurde von der Prognos AG im Auftrag des Bundesfrauenministeriums erstellt. Grundlage sind die Daten der Ausländerstatistik des Statistischen Bundesamts, basierend auf dem Ausländerzentralregister. Berücksichtigt wurden Frauen und Mädchen aus 31 Herkunftsländern, in denen FGM nachweislich vorkommt. Die Methodik folgt international anerkannten Standards, um europaweit vergleichbare Zahlen zu ermöglichen.
Folgen sind oft schwerwiegend
Weibliche Genitalverstümmelung ist eine gravierende Menschenrechtsverletzung und eine besonders schwere Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Folgen sind häufig lebenslange körperliche Schmerzen, psychische Belastungen und Risiken bei Schwangerschaft und Geburt. Eine FGM ist meist irreversibel. Betroffene Frauen benötigen daher eine spezialisierte, interdisziplinäre Versorgung.
Weltweit sind laut UNICEF im Jahr 2024 mindestens 230 Millionen Frauen und Mädchen betroffen. FGM ist in über 90 Ländern dokumentiert.
Prävention und Schutz verbessern
Die Bundesregierung verurteilt weibliche Genitalverstümmelung klar und setzt europäische Vorgaben konsequent um. § 226a des Strafgesetzbuchs stellt FGM unter Strafe - seit 2015 auch dann, wenn der Eingriff im Ausland vorgenommen wird. Die Tat kann mit bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Mitwirkenden droht zudem der Verlust des Aufenthaltstitels. Im Asylrecht gilt die Gefahr von FGM als Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Ein weiteres wichtiges Instrument zur Prävention und zum Schutz bedrohter Frauen und Mädchen ist der "Schutzbrief gegen weibliche Genitalverstümmelung". Seit 2021 ist der Schutzbrief kostenfrei in 16 Sprachen und in Einfacher Sprache erhältlich. Er kann im Herkunftsland und vor Angehörigen klarstellen, dass die weibliche Genitalverstümmelung ein Straftatbestand in Deutschland ist - auch wenn sie im Ausland durchgeführt wird.
Darüber hinaus fördert das Bundesfrauenministerium seit Jahren verschiedene Projekte zur Prävention und Aufklärung, zur Schulung von Fachkräften sowie zur psychologischen Unterstützung betroffener Frauen und Mädchen. In Kooperation über alle staatlichen Ebenen hinweg arbeiten unter Leitung des Bundesfrauenministeriums deshalb Bund, Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft eng zusammen mit Blick auf Informationsmaterialien, Schulungskonzepte für Fachkräfte im Gesundheitswesen, in Behörden und in Beratungsstellen.