Es gibt Schwangere, die ihre Schwangerschaft geheim halten möchten. Vielleicht, weil sie sich in einer besonders schwierigen Lebenssituation befinden oder weil sie eine Gefahr für sich oder das Baby befürchten. Schwangere, die sich in solch einer Notlage befinden, haben die Möglichkeit, ihr Kind medizinisch sicher und ohne Preisgabe ihrer Identität zur Welt zu bringen. Nachfolgend finden Sie Informationen zu Beratungsangeboten und zum Ablauf einer vertraulichen Geburt.
Was ist eine vertrauliche Geburt?
Die vertrauliche Geburt ermöglicht es Schwangeren in Notsituationen, ihr Kind medizinisch sicher, aber ohne Offenlegung ihrer Identität zur Welt zu bringen. Darüber hinaus wahrt sie das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Durch eine Adoption wird dem vertraulich geborenen Kind die Möglichkeit gegeben, in einer neuen Familie aufzuwachsen. Begleitet wird der gesamte Prozess der vertraulichen Geburt durch eine Schwangerschaftsberatungsstelle. Zur Wahrung ihrer Anonymität gibt sich die Schwangere ein Pseudonym (ausgedachter Vor- und Familienname). Unter diesem Pseudonym kann sie in einer geburtshilflichen Einrichtung (Krankenhaus, Geburtshaus oder mithilfe einer Hebamme) entbinden. Die realen Personalien der Schwangeren werden durch die Schwangerschaftsberatungsstelle auf einem sogenannten Herkunftsnachweis festgehalten und beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftlichen Aufgaben sicher verschlossen hinterlegt. So hat das vertraulich geborene Kind mit Vollendung des 16. Lebensjahres die Möglichkeit, seine Herkunft - also den Namen der Mutter und ihre Adresse zum Zeitpunkt der Geburt - zu erfahren.
Das folgende Video erklärt die Hilfsangebote für Schwangere, die ihre Schwangerschaft geheim halten wollen, sowie den Ablauf einer vertraulichen Geburt.
Was ist der Unterschied zwischen einer vertraulichen und einer anonymen oder heimlichen Geburt?
Bei der anonymen Geburt gibt die Schwangere ihre Identität niemandem preis und ihre personenbezogenen Daten werden nicht erfasst. Die Identität der Schwangeren bleibt damit dauerhaft unbekannt und das Kind hat keine Möglichkeit, Kenntnis über seine Abstammung zu erlangen. Oft finden anonyme Geburten außerhalb eines Krankenhauses oder einer geburtshilflichen Einrichtung statt, sodass keine medizinische Versorgung der Mutter und des Kindes stattfinden kann. Auch Babyklappen zählen zum Bereich der anonymen Geburt.
Die vertrauliche Geburt soll heimliche oder anonyme Geburten außerhalb von medizinischen Einrichtungen vermeiden und die Gesundheit von Mutter und Kind schützen. Bei der vertraulichen Geburt gibt die Mutter ihre Identität nur einmalig in einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Beratungsstelle bekannt. Die dortige Beraterin fertigt einen sogenannten Herkunftsnachweis an, in welchen das Kind später Einsicht nehmen kann. Gegenüber Ämtern und im Krankenhaus oder medizinischen Einrichtungen bleibt die Mutter hingegen anonym und wird dennoch beraten und medizinisch intensiv begleitet. Damit soll Frauen geholfen werden, die ihre Schwangerschaft verdrängen oder verheimlichen und die vom regulären Hilfesystem für Schwangere nicht erreicht werden. Außerdem ermöglicht sie dem vertraulich geborenen Kind sein Abstammung zu erfahren.
Wo erhalte ich Hilfe, wenn ich mein Kind vertraulich, heimlich oder anonym auf die Welt bringen möchte?
Schwangere, die sich in Krisensituationen oder Notlagen befinden, erhalten an verschiedenen Stellen kostenlose Unterstützung.
Schwangerschaftsberatungsstelle
Gemeinsam mit den Beraterinnen der Schwangerschaftsberatungsstellen können durch persönliche Hilfsangebote, verlässliche Betreuung und das Angebot professioneller Hilfestellungen individuelle und oft langfristige Lösungen für die Konfliktsituationen der Frauen gefunden werden.
Sobald sich eine Schwangere für eine vertrauliche Geburt entscheidet, ist eine Schwangerschaftsberatungsstelle hinzuzuziehen. Diese unterstützt beim gesamten Verfahren. Eine Beratungsstelle kann beispielsweise über das Hilfetelefon "Schwangere in Not" unter der Telefonnummer 0800 40 40 020 oder unter hilfetelefon-schwangere.de gefunden werden.
Hilfetelefon "Schwangere in Not"
Das Hilfetelefon "Schwangere in Not" bietet vertrauliche - auf Wunsch auch anonyme - Beratung in insgesamt 19 Sprachen. Es ist kostenlos, barrierefrei und rund um die Uhr erreichbar. Das Hilfetelefon zeigt betroffenen Schwangeren den Weg zu qualifizierten Beraterinnen in den örtlichen Schwangerschaftsberatungsstellen, wo sie ebenfalls eine anonyme und kostenlose Beratung erhalten. Auch Fachkräfte wie Hebammen oder Ärztinnen und Ärzte können sich bei Fragen jederzeit an das Hilfetelefon wenden.
Neben der telefonischen Beratung bietet das Hilfetelefon unter hilfetelefon-schwangere.de auch eine Chat- und E-Mail-Beratung an. Ratsuchenden, die den telefonischen oder persönlichen Kontakt scheuen, wird so eine niedrigschwellige und anonyme Kontaktaufnahme ermöglicht.
Wie läuft eine vertrauliche Geburt ab?
Zentraler Bestandteil der vertraulichen Geburt ist die Beratung der Schwangeren durch eine Schwangerschaftsberatungsstelle. Sie begleitet das gesamte Verfahren vertrauensvoll. In der Regel erfolgt eine vertrauliche Geburt in zwei Schritten:
1. Beratung zu möglichen Hilfsangeboten
In einem ausführlichen, persönlichen Beratungsgespräch zeigt die Beratungsstelle der Schwangeren individuelle Hilfs- und Unterstützungsangebote auf und informiert sie über ihren Anspruch auf anonyme Beratung. Gemeinsam mit den Betroffenen werden Handlungsalternativen erörtert und möglicherweise Auswege aus ihrer Situation gefunden. Das Beratungsgespräch erfolgt ergebnisoffen - keine Schwangere wird zu einer Entscheidung gedrängt. Hat die Schwangere weiterhin den Wunsch anonym zu bleiben, wird sie zur Möglichkeit der vertraulichen Geburt beraten.
2. Beratung zur vertraulichen Geburt
Im Rahmen der Beratung zur vertraulichen Geburt, wird die Schwangere über
- ihre Rechte,
- die Rechte des Kindes,
- die Rechte des Vaters und
- die rechtlichen Folgen einer Adoption
informiert.
Entscheidet sie sich dafür, ihr Kind vertraulich zu gebären, wählt sie ein Pseudonym (ausgedachter Vor- und Familienname), das ihre Identität schützt. Sofern der Wunsch besteht, darf die Schwangere bei der Beratungsstelle einen (oder mehrere) Vornamen für das ungeborene Kind hinterlegen.
Die Beratungsstelle notiert die Personalien der Schwangeren auf einem Papier, dem sogenannten Herkunftsnachweis. Dieser wird in einem Umschlag sicher verwahrt.
Nach der vertraulichen Geburt des Kindes schickt die Beratungsstelle den Herkunftsnachweis an das Bundesamt für zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA, Referat 501, 50964 Köln), wo er sicher in einem Safe verwahrt wird.
Die Schwangerschaftsberatungsstelle kümmert sich außerdem beispielsweise um
- die Vermittlung der Schwangeren (unter ihrem Pseudonym) an ein Krankenhaus oder eine Einrichtung der Geburtshilfe,
- die Weiterleitung der von der Schwangeren gewählten Vornamen des Kindes an das Krankenhaus oder die geburtshilfliche Einrichtung und
- die Information des zuständigen Jugendamtes über das Pseudonym, den voraussichtlichen Entbindungstermin sowie das Krankenhaus oder die geburtshilfliche Einrichtung, in dem bzw. der die vertrauliche Geburt angemeldet wurde.
Kann ich mich auch nach der Entbindung noch für eine vertraulich Geburt entscheiden?
Auch noch kurz vor oder nach der Geburt kann sich eine Schwangere für eine vertrauliche Geburt entscheiden. Kommt eine Schwangere nach einer anonymen Entbindung mit diesem Wunsch direkt in die Klinik oder zu einer Hebamme, muss die geburtshilfliche Einrichtung eine nahe gelegene Schwangerschaftsberatungsstelle informieren. Eine erste Anlaufstelle kann auch das Hilfetelefon "Schwangere in Not" sein.
Wie wird meine Identität bei einer vertraulichen Geburt geheim gehalten?
Bei einer vertraulichen Geburt werden die persönlichen Daten der Frau geschützt. Ihre Identität (Vor- und Nachname sowie Adresse) wird während des gesamten Verfahrens nicht offengelegt. In der Schwangerschaftsberatungsstelle offenbart die Schwangere ihre Identität nur einmalig der zuständigen Beraterin. Die Beraterin ist gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Schwangere wählt dann ein Pseudonym (ausgedachter Vor- und Familienname) für sich selbst aus und kann auch einen Vornamen für ihr Kind wählen. Abgesehen von der Beraterin der Schwangerschaftsberatungsstelle kennt niemand den richtigen Namen und die Adresse der Schwangeren. Alle anderen Einrichtungen, Behörden und Personen (zum Beispiel das Krankenhaus, die Hebamme, die Gynäkologin oder der Gynäkologe) kennen nur ihr Pseudonym.
Wird die Frau in einer gynäkologischen Praxis zu Vorsorgezwecken behandelt, wird sie auch hier unter ihrem Pseudonym vorstellig und muss keine Versicherungskarte vorlegen.
Für den Fall, dass eine Schwangere den Wunsch nach Anonymität äußert, ohne vorher Kontakt zu einer entsprechenden Beratungsstelle gehabt zu haben, sollten behandelnde Ärztinnen und Ärzte unmittelbar eine Schwangerschaftsberatungsstelle einbinden. Dort wird die Frau bei Wunsch auch anonym umfassend über eine mögliche vertrauliche Geburt beraten. Die behandelnde Ärztin beziehungsweise der behandelnde Arzt darf unter keinen Umständen den Namen der Schwangeren erfragen oder erfahren, da mit Bekanntwerden der Identität das Verfahren der vertraulichen Geburt nicht mehr durchführbar ist.
Was passiert nach der Geburt?
Nach der vertraulichen Geburt werden sowohl die Schwangerschaftsberatungsstelle als auch das Standesamt mit allen notwendigen Informationen von der geburtshilflichen Einrichtung (Krankenhaus, Geburtshaus oder Hebamme) informiert. Das Standesamt stellt daraufhin eine Geburtsurkunde ohne Eintragung der Namen der Eltern aus und teilt dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben den beurkundeten Namen des Kindes und das Pseudonym der Mutter mit.
Nach der Geburt kann die Frau entscheiden, ob sie das Kind zur Adoption freigeben oder doch zurücknehmen möchte. Voraussetzung für die Rücknahme des Kindes durch die Frau ist die Offenlegung ihrer persönlichen Daten vor dem Familiengericht und die Aufgabe ihrer Anonymität. Zudem muss sie ihre Mutterschaft nachweisen. Sämtliche Angaben müssen spätestens zum Adoptionsbeschluss (frühestens ein Jahr nach der Geburt) vorliegen. Entscheidet sich die Frau gegen ein Zusammenleben mit dem Kind, wird das Adoptionsverfahren eingeleitet. Durch die rechtliche Grundlage der vertraulichen Geburt kann dies ohne die Einwilligung der Mutter erfolgen.
Kann das vertraulich geborene Kind den Namen seiner leiblichen Mutter erfahren?
Mit dem 16. Geburtstag erhält das vertraulich geborene Kind das Recht, die persönlichen Daten der Mutter (Name, Geburtsdatum und Anschrift zum Zeitpunkt der Geburt) beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben einzusehen oder eine Kopie vom Herkunftsnachweis zu bekommen. Sieht sich die Mutter durch die Offenlegung ihrer Daten gefährdet, kann sie ab dem 15. Geburtstag des Kindes unter ihrem Pseudonym bei einer Schwangerschaftsberatungsstelle beantragen, ihre Anonymität aufrechtzuerhalten. In diesem Fall erhält das Kind zunächst keine Auskunft über seine Abstammung, kann sich aber an ein Familiengericht wenden. Das Familiengericht entscheidet dann, ob das Interesse der Mutter an der weiteren Geheimhaltung ihrer Identität oder das Interesse des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung überwiegt. Während dieses Verfahrens bleibt die Identität der Frau geschützt.
Wer bezahlt die vertrauliche Geburt oder Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen der Schwangerschaft?
Mit der Einführung der vertraulichen Geburt hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass alle Kosten rund um die vertrauliche Geburt, inklusive der Vor- und Nachsorge, durch den Bund - unabhängig vom Versicherungsstatus der Patientin - erstattet werden. Der Bund kommt für alle medizinischen Kosten rund um die Geburt sowie Vor- und Nachsorge auf.